Eine Trommel der Landwehr
Wenn man diese Trommel sieht, denkt man gleich ans Militär. Richtig? Richtig. Solche Trommeln, mittelgroß und in den bayerischen Landesfarben Weiß und Blau bemalt,[2] waren für den Gebrauch beim Marschieren im militärischen Verband gefertigt. Es sind eben diese Rauten an den Holzreifen, die die Trommel in den Rang eines Instruments versetzen, das in offiziell-staatlichem Auftrag zum Klingen gebracht wird. Die Trommel war Teil des Musikkorps der Füssener Landwehr (1815 bis 1869); heute ist sie in den Besitz des Museums Füssens gelangte. Die nur zum Einsatz in der Region gedachte Einheit, in der zeitweise bis zu 70 Füssener organisiert waren, endete durch die Modernisierung des bayerischen Militärs im Jahr 1868.
Der runde Korpus der Marschtrommel besteht aus stabilem Messing. Oben und unten ist die Trommel mit Kalbfell bespannt. Wie die Felle befestigt sind, ist gut zu erkennen: Sie sind über rund gebogene Weidenringe gezogen. Diese Ringe werden unten und oben mit breiten Holzreifen gehalten. Die Holzreifen sind mit einem im Zickzack geführten Seil miteinander verspannt.
Auf dem Seil sitzen Lederschlaufen. Mit ihnen lässt sich das Instrument stimmen. Wenn man sie verschiebt, bringt man Spannung auf die Seile, die Holzringe werden leicht zueinander hingezogen, die Spannung auf den Fellen wird größer und der Ton wird höher.
Auf das obere Fell, das sogenannte Schlagfell, wird mit den Trommelstöcken geschlagen. Das untere Fell, auch Resonanzfell, verstärkt mit zwei zusätzlich darüber verspannten Schnarrsaiten den Ton. Wie im 19. Jahrhundert üblich, sind diese noch aus Darm, nicht aus Metall gefertigt. Die Spannung der Schnarrsaiten lässt sich mit einer Flügelschraube einstellen, auf der anderen Seite sind die Schnarrsaiten mit einem einfachen Metallhaken fixiert (siehe Abb. oben).
Unser Instrument gehört zu den Marschtrommeln, bei denen der Kessel tiefer ist, wodurch der Klang voluminöser wird. Die Marschtrommel wurde vom Tambour (Trommler) getragen, vermutlich an einem quer über den Oberkörper geführten Riemen oder am Beckengurt bzw. in einem Tragegestell vor der Hüfte, wie heute für Trommeln im Spielmannszug üblich. Allerdings sprechen gegen letzteres die Größe und das Gewicht des Instruments. Am oberen Holzreifen befinden sich zwei Bohrungen, an denen wohl die Haken eines Trageriemens eingehakt werden konnten.
Vom Hersteller „J. L. Kaltenecker & Sohn“, einer metallverarbeitenden Fabrik in München, ist an der Verstellschraubenhalterung ein kleines Schild angebracht. Auf dem unteren Fell steht, handschriftlich mit Bleistift notiert, der Name des Besitzers, „Josef Hieber“. In den Unterlagen des Stadtarchivs finden sich keine Hinweise auf diesen Namen.
Wie der Klang unter die Haut geht – von der Trommel zum Handwerk
Eine Trommel, wie sie hier als Instrument unter der Inventarnummer 3737 vorgestellt wird, ist bekannt von historischen Abbildungen. Auch im Bestand des Museums Füssen ist eine solche Darstellung vorhanden, die allerdings nicht die Landwehr oder das Militärwesen zum Thema hat, sondern sich dem Handwerk des „Pergamenter“ widmet, das mit der Herstellung von Trommeln verbunden war.
In und vor der Werkstatt eines Pergamenters, einem hohen, offene Raum, sind fünf Personen mit der Bearbeitung von Tierhäuten in den verschiedenen Arbeitsschritten befasst. Die gelieferten Felle wurden in Kalkwasser gebeizt, enthaart und glatt geschabt. Bereits mit diesem Schritt weicht die Herstellung von Pergament von der Lederherstellung ab, bei dem die Felle gegerbt werden. Für Pergament folgte als nächstes das Aufspannen der Felle auf Rahmen, sie wurden mit Bimsstein geglättet und anschließend mit Kreideschlamm behandelt. Durch Schleifmaterialien erhielt die Oberfläche im trockenen Zustand seine milchige, samtige Oberfläche für die unterschiedlichen Einsatzbereiche.[3] Auf der historischen Darstellung ist die Bearbeitung wie das Reinigen und Enthaaren, Schaben und Glätten der Tierhaut ebenso gut zu erkennen wie das Spanntrocknen am Rahmen, der rechts im Hintergrund an der Wand lehnt.
Die Darstellung von Georg Vogel und Ambrosius Gabler ist aus dem Jahr 1791, einer Zeit, in der Pergament nicht mehr notwendigerweise als Beschreibstoff verwendet wurde, sondern Papier diesen Stoff abgelöst hatte – Pergament war Papier zwar in punkto Reißfestigkeit, Radierfestigkeit und Dauerhaftigkeit überlegen, jedoch teuer. Das Handwerk des Pergamentmachers büßte seine Bedeutung dennoch nicht ein. Dies lässt sich anhand der Trommel im vorderen rechten Bildgrund des Stichs ablesen: Zwar im Schatten, aber gut erkennbar befindet sich hier eine mit Pergament bespannte Trommel mit dem typischen bayerischen Rautenmuster. Insbesondere zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert, einer Zeit der Kriege, war eines der wichtigen Produkte des Pergamenter die Bespannung von Trommeln für den militärischen Bereich.
Die Trommel im Museum
Das Museum der Stadt Füssen bewahrt mehrere Instrumente vom Musikcorps des Füssener Landwehrbatallions, darunter eine sehr große, eine höhere und vier kleine Trommeln, dazu Trommelstöcke und ein Paar Becken. Auch eine Fahne des Landwehrbatallions zählt zum Museumsbestand. Zahlreiche Fragen zur Landwehr und das Füssener Batallion schließen sich an, müssen an dieser Stelle jedoch unbeantwortet bleiben, das Thema ist ein Forschungsdesiderat.
Sammlung und Museum
Das breite Spektrum der Sammlung wird in der Ausstellung anhand von Einzelobjekten abgebildet. Sie werden zu Repräsentanten oder Leitobjekten der verschiedenen Konvolute und Zeiträume und weisen insgesamt auf die Vielfalt der Sammlung hin. Nicht nur die Objekte und Werke auf ihrem jeweiligen Forschungsstand, sondern auch Aspekte der Museumsarbeit werden aufgefächert: das Sammeln und Bewahren, das Präsentieren und Vermitteln.
Staunen und Wissen
Ein wichtiges Moment der Inszenierung ist das Staunen. Er steht in Verbindung mit der Naturforschung des 19. Jahrhunderts und lässt sich historisch zurückführen auf die sogenannte „Wunderkammer“, die die Zusammenkunft kostbarer und denkwürdiger Naturalien und Artefakte umfasste. In dieser Online-Serie soll das Staunen als erkenntnisfördernder Impuls reaktiviert werden.
Quellenangaben
[1] Johann Gottfried von Herder: Blumenlese aus morgenländischen Dichtern. Bd. 9, Hrsg. von Johann von Müller, Tübingen 1807 (Bd. 9 aus: Herders sämmtliche Werke. Zur schönen Literatur und Kunst. Hrsg. von Johann Georg Müller, Tübingen 1805-1820).
[2] Die weiß-blauen Rauten wurden mit der Gründung Bayerns zum Königreich im 19. Jahrhundert, als viele neue Landesteile hinzukamen, zum gesamtbayerischen Symbol.
[3] Vgl. zur Herstellung von Pergament u. a. Ahaspher von Brandt: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaften. Stuttgart/Berlin/Köln 1996, S. 68-69.
Autorinnen: Gabriele Wiesemann, Isabelle Schwarz
Mit herzlichem Dank an Tobias Ranker, Stadtarchiv Füssen.
Redaktion und Gesamtprojekt: Isabelle Schwarz
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Foto Titelbild: Simon Toplak
Museum der Stadt Füssen
Lechhalde 3, 87629 Füssen