ZU HÄNDEN VON FÜSSEN
Ein LandArt-Projekt der Alanus Hochschule im „Tal der Sinne“ in Bad Faulenbach 2006
Die Naturschönheiten und Stille des Faulenbacher Tales, seine geologischen Gegebenheiten, die Schwefelquellen und das Gipsvorkommen, die historischen Bezüge zur Römerstrasse Via Claudia Augusta und dem uralten Benediktinerkloster St. Mang, wie auch der imposante Lechfall, die Morisse, der Baumgarten und die direkt gegenüber Bad Faulenbach angesiedelte alte Mechanische Seilerwarenfabrik, stellten äußerst attraktive Bedingungen für eine künstlerische Auseinandersetzung dar.
Besonders ideal verknüpfte sich dabei die Kunstform „LandArt“ mit der Idee „Tal der Sinne“, ein Leader-Plus-Projekt in Bad Faulenbach.
Die künstlerischen Interventionen – landschaftsbezogene Skulpturen und Installationen – sollten die Orte selbst thematisieren, sie durch die entstehenden Werke sich selbst aussprechen lassen. Voraussetzung hierfür war die Befragung der Orte und der Menschen, das Erschließen der Topografie, der Flora und der Fauna, der Architektur und der Geschichte.
Der Dialog mit der Landschaft geschah in einem besonderen Spannungsfeld zwischen Natur, Kultur und Technik. Auch die Lage des Ortes in der Nähe der touristisch bedeutungsvollen Königsschlösser stellten für dieses LandArt-Projekt eine besondere Herausforderung dar.
18 Bildhauerstudentinnen und –studenten der Alanus Hochschule, einer staatlich anerkannten privaten Kunsthochschule in Alfter bei Bonn, arbeiteten mit ihrem Dozenten Jochen Breme einen Monat lang vor Ort. Der Dialog mit dem Publikum im Verlauf der Werk-Entstehung war ein wesentlicher Aspekt des Projektes.
Dieses Vorhaben wurde von der Europäischen Union (EAGLF)
und dem Freistaat Bayern im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative LEADER+ gefördert.
Jochen Breme
Gips
Eine Felsspalte ist mit einer weißen Gipsfläche geschlossen und mit Kinderköpfchen besetzt, die um 180° gedreht sind und nach unten fallen. Dies, wie die bauchige Felswand und die Höhle dahinter, verweisen auf archaische Bilder und Mythen des Geburtvorgangs. Zugleich drückt das Material, der glatte Gips, die Unversehrtheit, die Zartheit, aber auch Verletzlichkeit des Neugeborenen aus. Mit der Thematik der Geburt ist auch der Titel „kein Totentanz“ erklärt, die Gegenpole des Lebens: Geburt und Tod. Die Materialwahl nimmt die bedeutende Wirtschaftsgeschichte der Gipsgewinnung hier im Faulenbacher Tal auf.
Thieß Krause-Sparmann
Holz
Das Kunstwerk eröffnet einen historischer Erfahrungsraum. Das im Mittelalter und in der frühen Neuzeit bedeutende Transporthandwerk der Flößerei kann beim „Schilfwanderer“, der auf einem Floß seine vermeintliche Bahn zieht, assoziiert werden. Die Bretter verkörpern den „Wanderer“, den Flößer, der sich mit großen Stangen vom Ufer abstößt und sich so im Gewässer vorwärts bewegt. Zugleich nehmen die geschwungenen Bretter das Wogen des Schilfes im Wind auf.
Philipp Jenckel
Kalkstein, Stahl
Einzelne Gesteinsbrocken, auf Stahlstäben aufgesteckt, bilden die Topografie des Faulenbacher Tals nach. Zugleich nimmt die Form auch das Element der gegenüber liegenden Skisprungschanze auf. Die Steine selbst stammen aus dem Felsen am Lusalten, der durch die Erweiterung des Tunnels bergmännisch geborgen wurden. Die fast gleißend weißen Steine erblicken so das Sonnenlicht.
Verena Maria Look
Holz, Stahl, Schnur
Zwei Torsi sind in die Fischhauswiese auf Fernsicht postiert. Die Torsi sind aus zwei Baumstamm-Abschnitten herausgearbeitet und auf feiner, glatter Oberfläche geschliffen. Sie sind unterschiedlich groß und stehen zueinander wie adelige Mutter und Tochter. Unten sind mit Schnüren durchsichtige Reifenröcke befestigt.
Jasmin Hurst
Stein
Die Steinplastik „T.A.N.K.“ steht an einem urzeitlichen Naturdenkmal, einer Felswand, die durch die Alpenfaltung glatt abgehobelt wurde. Doch ein typisches Merkmal unserer Zivilisation, ein asphaltierter Parkplatz, stößt hier direkt gegen diese „Harnischwand“. Der T.A.N.K. reagiert auf diese Schnittstelle zwischen Denkmal und Merkmal. Mittels eines Rohrs saugt der Tank die Energie aus dem Fels, ein Symbol der Ausbeutung der Naturvorräte.
Florian Klette
Holz, Nägel
Am Stadel selbst befand sich bereits ein alter Starenkasten. Zu ihm gesellen sich nun wie Trauben weitere rund 50 Häuschen. Sie ballen sich zusammen, bilden Kolonien, überwuchern die Stadelwand. Der Archetypus „Haus“ - Wand, Boden, Dach - und der Begriff „Besiedelung“ wird in dieser Agglomeration von Vogelhäuschen wiedergegeben. Wie ein Restaurator behandelt der Künstler sein benutztes Abfallholz, achtet auf dessen Oberflächengestalt und Spuren seiner primären Nutzung.
Muyan Lindena
Findlinge
Tonnenschwere Findlinge schieben sich durch den Halsgraben im Schlossberg. Sie ahmen die Schubkraft der Gletscher, welche die Topografie der Voralpenlandschaft prägten, nach. Doch der Gletscher verliert seine Schubkraft, schmilzt ab und lässt die Steine zurück. Die meisten Steine streben dem Lechtal zu, doch es gibt auch widerspenstige, die den Weg zurück suchen, sich dem Abschmelzen des Gletschers anschließen.
Andy Sturm
Schwemmholz
Aus dem Unterholz tauchen Pickelhauben, die aus Bündeln Schwemmholz zusammengesetzt sind, auf. Die Helme korrespondieren mit der darüber stehenden Felswand, die als uneinnehmbare Festung gesehen werden kann. In der Form der geballten Kraft und der Spitze lässt sich vielleicht auch ein männliches Prinzip erkennen. Die Pickelhauben können als Ausdruck eines Geschichtsbewusstseins interpretiert werden, ohne ein Denkmal setzen zu wollen.